Lost in La Mancha

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Original Titel: Lost in La Mancha
Übersetzter Titel: Lost in La Mancha
Regie: Keith Fulton - Louis Pepe 
Produzent(en): Lucy Darwin 
IMDb-Link: http://us.imdb.com/Title?0308514
Land: UK / USA
Genre: Dokumentation
Jahr: 2002
Darsteller: Jeff Bridges .... Narrator (voice)
Bernard Bouix .... Himself
René Cleitman .... Himself
Johnny Depp .... Himself
Benjamín Fernández .... Himself
Terry Gilliam .... Himself
Tony Grisoni (I) .... Himself
Vanessa Paradis .... Herself
Philip A. Patterson .... Himself (as Phil Patterson)
Nicola Pecorini .... Himself
Gabriella Pescucci .... Herself
Jean Rochefort .... Himself
 


Inhaltsangabe: Der Kampf gegen Windmühlen oder: Don Quixote in Hollywood

Terry Gilliam kann einem leid tun. Schon mit seinem inzwischen Kultstatus genießenden Film »Brazil« von 1985 hatte er großes Pech, wenn es auch erst nach Fertigstellung des Films in Form von Schnittauflagen, dann Verstümmelung des 142-Minuten Werks auf 98 Minuten durch Sidney Sheinberg und anschließender Blockade durch das Universal-Studio, einsetzte. Der Film »Die Abenteuer des Baron von Münchhausen« wurde ein kommerzieller Flop, weil das Studio nach der teuren Produktion kein Geld mehr für ein angemessenes Marketing ausgeben wollte. So stürzte das bildgewaltige Phantasy-Spektakel an den Kinokassen gnadenlos ab. Der größte kommerzielle Erfolg bislang ist dann bezeichnenderweise eine reine Auftragsarbeit, die Gilliam schlicht des Geldes wegen annahm: 12 Monkeys. Als er sich wieder einmal einem Wunschprojekt mit all seinem Herzblut zuwandte, schlug Murphy's Law erneut mit aller Härte zu...


LOST IN LA MANCHA

Was ist nun dieser »Lost in La Mancha« und warum hat man bisher nur so wenig darüber gehört? Es handelt sich dabei nicht um den neuesten Film von Terry Gilliam. Es ist strenggenommen überhaupt kein Film von Terry Gilliam, sondern ein Dokumentarfilm von Keith Fulton und Luis Pepe über den Film, den Terry Gilliam vergeblich zu drehen versuchte: »The Man Who Killed Don Quixote«. Sogenannte »Making of«-Produktionen sind ja inzwischen sehr beliebt und gehören heutzutage zum Standard-Repertoire von Marketingmaßnahmen im Filmbusiness. Man findet sie als Bonus-Material auf DVDs oder sieht sie unbeabsichtigt zu später Stunde im Privatfernsehen und bekommt im ungünstigsten Fall die Lust auf einen Film genommen, den man sich eigentlich noch voll Vorfreude ansehen wollte. Meistens sind sie aber ganz harmlos und alle Beteiligten erklären in gestellten Interviews brav, daß dies der beste Film sei, in dem sie bislang mitwirkten und bedanken sich außerdem artig bei allen übrigen Beteiligten. Das ist bei »Lost in La Mancha« anders. Denn der Film, über den berichtet wird, wurde niemals fertiggestellt, es wurde effektiv nur eine knappe Woche gedreht. Somit stellt diese Dokumentation das erste »Un-making« eines Films dar.

Wie konnte es dazu kommen, daß alle Unbill während des Drehs so akribisch mit der Kamera festgehalten wurde. Hatte da jemand die Katastrophe kommen sehen? Die Antwort gibt Gilliam in einem Interview, das sich auf der DVD befindet. Ursprünglich wollte er eine Art Tagebuch über die Dreharbeiten führen und engagierte zu diesem Zweck Fulton und Pepe, die bereits für den gleichen Zweck als frischgebackene Absolventen einer Filmhochschule hinter den Kulissen von 12 Monkeys (ohne Bezahlung) drehen durften (»The Hamster Factor«). Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, hier habe auch eine gewisse Vorsehung eine Rolle gespielt, ebenso wie der mühsame Kampf Gilliams gegen den Hollywoodbetrieb unweigerlich den Vergleich mit einem unermüdlich gegen Windmühlen ankämpfendem Don Quixote heraufbeschwören muß. Interessant ist dabei die Tatsache, daß bereits Orson Welles mit einer Verfilmung des Don Quixote-Stoffes scheiterte, da diese ebenfalls niemals fertiggestellt wurde.

THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE

Was ist eigentlich über diesen Film bekannt, von dem wir bislang nicht viel mehr wissen, als daß es ihn gar nicht gibt? Die Geschichte ist schnell erzählt, da bisher nur wenig über den Inhalt bekannt ist:
Ein Werbefilmer, gespielt von Johnny Depp, produziert für eine britische Werbeagentur einen Werbespot in Spanien, für den er sich des Motivs des Don Quixote bedient. Plötzlich findet er sich im Spanien des 17. Jahrhunderts wieder und begegnet dem richtigen Don Quixote (Jean Rochefort), der den unsympathischen Werbefilmer für Sancho Panza hält...

Gilliam hatte sage und schreibe bereits über 10 Jahre lang für dieses Projekt gearbeitet, bis endlich mit Hilfe europäischer Financiers (Budget: 32 Millionen Dollar) im September 2000 in Spanien die Dreharbeiten losgehen konnten. Eigentlich war alles perfekt, denn der geplante Film befand sich bereits vollständig im Kopf von Gilliam (nach eigener Aussage), er hatte hervorragende Schauspieler und die Art der Finanzierung sollte dieses Mal eine Einmischung in die künstlerische Gestaltung durch Studiobosse wie bei »Brazil« ausschließen.
Eine ausführliche Schilderung der Ereignisse scheint mir in diesem Fall für niemanden den Filmgenuß potentiell trüben zu können, da es sich auf der einen Seite "nur" um einen Dokumentarfilm handelt und auf der anderen Seite bereits seine Prämisse das Scheitern von Gilliams Filmprojekt vorgibt. Die Beschreibung der einzelnen "Kalamitäten" ist etwas ausführlicher, damit man sich ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe(n) machen kann.

MURPHY'S LAW, TEIL I
Wie bereits zu Anfang klargestellt, kam natürlich alles ganz anders. Beinahe schon der finale Todesstoß für das Projekt war gleich von Beginn an die Krankheit des Hauptdarstellers Jean Rochefort. Es begann noch ganz harmlos mit einer Verspätung seiner Ankunft um ca. eine Woche. Wie wichtig Rochefort für diese Produktion war, wird deutlich, wenn man bedenkt daß Gilliam als Idealbesetzung ausgerechnet den Franzosen auswählte, der bis dahin kein einziges Wort Englisch sprach. In den letzten 7 Monaten vor Drehbeginn machte dieser noch einen Crash-Course, um für die Rolle einigermaßen gerüstet zu sein. Überhaupt waren alle Darsteller mit voller Überzeugung dabei und hätten sogar auf Teile der Gage verzichtet, um nach einer kurzen Unterbrechung die Dreharbeiten wieder aufzunehmen - leider war die Versicherungsgesellschaft weniger idealistisch eingestellt.

Man beschließt, in der Zwischenzeit das Soundstudio in Augenschein zu nehmen, wo ein Großteil der Ton-Aufnahmen und des Tonmix durchgeführt werden sollen (»Soundstage«). Natürlich hatte man sich um eine Stätte in der Nähe gekümmert (wer auch immer nun hierfür verantwortlich zeichnete). Schon von außen wirkt das Ganze nicht sehr vielversprechend, ist doch kein Unterschied zu einer gewöhnlichen Lagerhalle aus Blech auszumachen. Die Böse Überraschung dann im Inneren: es ist eine Lagerhalle! Die Akustik ist natürlich völlig unbrauchbar und Terry Gilliam schnippt genervt mit den Fingern, um allen den starken Hall zu demonstrieren, der die gesamte Location natürlich völlig unbrauchbar macht. Ist denn so viel Pech noch zu steigern? Mal sehen...

MURPHY'S LAW, TEIL II
Nachdem Rochefort mit Verspätung eintrifft, können endlich die ersten Aufnahmen gemacht werden. Das Setting, Licht - alles scheint zu passen, die Kamera läuft...
Nach wenigen Minuten des Drehs plötzlich ohrenbetäubender Lärm. Tiefflieger donnern über den Set, man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Des Rätsels Lösung: Direkt nebenan befindet sich ein NATO-Stützpunkt, die Tiefflugübungen finden regelmäßig statt, der Dreh muß leider während der Flüge weiterlaufen, auch wenn die Pferde sich aufgrund des Lärms zunächst sträuben, das zu tun, was sie sollen. Ich habe mich bereits an dieser Stelle gefragt, welcher Experte eigentlich den Drehort ausgesucht hat und dann nicht einmal diese benachbarte Militärbasis recherchiert hat. Aber es sollte nicht die letzte Vorbereitungspanne bleiben.

MURPHY'S LAW, TEIL III
Die Dreharbeiten in den Sanddünen werden fortgesetzt. Plötzlich beginnt es zu regnen. Nein, nicht zu regnen - es schüttet vielmehr wie aus Kübeln, es hagelt, das Unwetter nimmt biblische Ausmaße an. Rasch werden noch Teile des Sets mit Planen abgedeckt und die Crew rettet sich in die Fahrzeuge. Es ist schon sehr interessant zu beobachten, wie sich plötzlich mitten durch den Set ein reißender Strom bildet, der auch schon die ersten Geräte fortzuspülen beginnt.
Als der Regen endlich überstanden ist, stellt sich neben der Reinigung der Requisiten und Geräte noch ein anderes Problem: durch den Regen haben die Dünen eine völlig andere Farbe bekommen, es paßt nicht mehr zu den bereits gedrehten Szenen. Außerdem wurden die ersten Takes bei strahlendem Sonnenschein gefilmt, nun ist der Himmel aber stark bedeckt. Also wird die Planung geändert, man fährt an einen anderen Drehplatz, um eine Szene zu drehen, für die kein Sonnenlicht benötigt wird.

MURPHY'S LAW, TEIL IV
Und wieder bekommt Jean Rochefort Probleme (wir haben mittlerweile den 5. Drehtag). Seine verspätete Anreise lag in einer Virus-Infektion begründet, die eine Entzündung der Prostata bewirkte (soweit ich das verstehen konnte). Nach einiger Zeit auf dem Pferd und in schwerer Rüstung hat Rochefort starke Schmerzen, an ein Fortsetzen der Dreharbeiten auf dem Rücken eines Pferdes ist zunächst nicht mehr zu denken. Der erkrankte Hauptdarsteller fliegt also zurück nach Frankreich, um sich dort von seinem Arzt behandeln zu lassen. Die restliche Crew versucht, die Zeit weiterhin sinnvoll zu nutzen und begegnet dem nächsten Teil der kleinen Murphy-Reihe. Vorher muß man während eines Drehversuchs in einer alten Abtei, wo man Szenen ohne Don Quixote drehen möchte, noch den Besuch der neugierigen Investoren über sich ergehen lassen, die natürlich sehen wollen, was mit ihrem Geld passiert. Die Anspannung ist Gilliam dabei deutlich anzumerken.

MURPHY'S LAW, TEIL V
Eine Nachricht aus Paris besagt, daß Rochefort erst nach einer Woche zurückkomme und nach seiner Rückkehr auf keinen Fall wieder ein Pferd besteigen dürfe. Zu allem Überfluß sitzt dem Team nun ein "Completion Guarantor" der Versicherung im Nacken, der überwachen soll, daß es mit den Dreharbeiten planmäßig weitergeht. Außerdem deutet sich an, daß die Versicherung die Erkrankung des Hauptdarstellers als "Akt Gottes" klassifizieren will, der von ihr nicht getragen werden müßte. Anschließend wird das Fernbleiben des Franzosen auf weitere 10 Tage verlängert. Für eine Weile sieht man nur noch aufgescheuchte Menschen, die wild telefonieren oder aufgeregt in irgendwelchen Vertragswerken blättern. Man spürt das nahende Unheil, das schon am nächsten Tag über Terry Gilliam hereinbricht:
Noch während der Rest der Crew über eine gewisse Verzögerung informiert wird, legt einer der Produzenten die Arbeit nieder und erklärt Gilliam, er werde den französischen Produzenten nahelegen, das Projekt auf Eis zu legen. Der Film, den Gilliam machen wolle, werde nicht stattfinden.
Dies dürfte so ziemlich der peinlichste Moment des ganzen Films sein. Als Zuschauer fühlt man sich ohnehin schon die meiste Zeit unangenehm berührt und leidet mit Terry Gilliam förmlich mit. Doch diese in ihrer Endgültigkeit doch überraschende Aussage des Produzenten schockt Regisseur und Zuschauer gleichermaßen - obwohl wir ja bereits wissen, daß aus dem Film nichts wurde.

FAZIT
Der aktuelle Stand ist, daß Gilliam versucht, die Rechte am Script wieder von der Versicherung zurückzukaufen. Daß es diesmal doch nicht ohne amerikanisches Geld gehen werde, verrät er im Interview, das sich auf der DVD befindet.
So sehr man Terry Gilliam bemitleidet, während man das grandiose Scheitern eines vielversprechenden Filmprojekts miterlebt, so sehr muß man ihn auch dafür bewundern, daß er die ihn beobachtende Kamera von Fulton und Pepe stets zuließ und so auch die bewegendsten und für ihn sicherlich schmerzhaftesten Momente ebenfalls (für uns) festgehalten wurden.

Für wen ist nun dieser Film? In erste Linie dürfte er ein "Muß" für Fans von Terry Gilliam sein. Die an anderer Stelle geübte Kritik, der Film sei nur etwas für Filmstudenten, kann ich nicht nachvollziehen. Für mich war es sehr lehrreich, da man doch en passant eine Menge über die Hintergründe der Filmproduktion erfährt, auch wenn es hier anhand von Negativ-Beispielen passiert. Somit empfehle ich »Lost in La Mancha« für jeden, der sich im weitesten Sinne für Film und Kino interessiert. Selber halte ich es für eine Schande, daß »The Man who killed Don Quixote« bisher noch nicht realisiert werden konnte und dies auch der Ungeduld und dem m.E. mangelnden künstlerischen Enthusiasmus der Versicherung und der Geldgeber sowie der ausführenden Produzenten anzulasten ist. Denn hätte man drei Monate auf die Genesung von Jean Rochefort gewartet, hätte man den Film schließlich noch komplettieren können. Nun sind sämtliche Requisiten mittlerweile hektisch verscherbelt worden und Rochefort - den ich wirklich für eine Idealbesetzung halte - würde für eine eventuelle Wiederbelebung des Projekts wahrscheinlich wirklich nicht mehr zur Verfügung stehen (können). »Lost in La Mancha« macht also Lust auf mehr und kann daher auch als Trailer verstanden werden - für den noch zu drehenden Film »The Man who killed Don Quixote«.

In den USA und in England wurde diese Dokumentation sogar im Kino gezeigt (was hoffentlich einen gewissen Werbe-Effekt für Gilliam hatte). Für Deutschland scheint nichts derartiges geplant und auch eine deutsche DVD halte ich für sehr unwahrscheinlich. Daher ist dieser Film leider nur für Leute mit guten Englisch-Kenntnissen geeignet, zumal darauf noch nicht einmal englische Untertitel enthalten sind. Dafür entschädigt sie mit Interviews mit Johnny Depp und Terry Gilliam, zusätzlichen Szenen und einen Trailer, wodurch man sich ziemlich lange mit diesem Film bzw. der DVD beschäftigen kann. Für jeden echten Film-Fan sollte »Lost in La Mancha« also Pflicht sein. 
Sprache(n): Englisch
Untertitel:
Länge: 93 Minuten
Video Format: DVD -- 1 DVD(s)
Zusätzliche Informationen: Mehr als 2 Stunden Zusatzmaterial
- Interviews mit Terry Gilliam, Johnny Depp, Keith Fulton und Louis Pepe
- Gelöschte Szenen
- 2 alternative Openings
- Video Portraits
Costume Design und Story Boards von "The Man Who Killed Don Quixote"

$$ MUSIK &&
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Miriam Cutler